Dr. Hille Heinemann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB

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Januar 2022

Willkommen in der Zukunft!

Vertrag für digitale Produkte –
ab 01.01.2022 Neuer Vertragstyp im BGB !

Der Gesetzgeber hat die EU-Richtlinie für den Warenverkauf an Verbraucher sowie für digitale Produkte in deutsches Zivilrecht umgesetzt. Damit werden wesentliche Elemente des deutschen Kaufrechts verändert, die sich ganz merklich auf den Handel mit Waren für Verbraucher und auch für die dahinterstehenden Lieferketten im B2B-Bereich auswirken.

Der Gesetzgeber hat außerdem einen neuen Vertragstyp, nämlich den Vertrag über digitale Produkte, eingeführt. Digitale Produkte können zudem gemeinsam mit nicht digitalen waren gemeinsam veräußert werden, wozu gesonderte Regelungen zu einem sogenannten Paketvertrag eingeführt wurden.

 

Was sind „digitale Produkte“

Die Formulierung „digitales Produkt“ gilt als über Begriff für in digitaler Form erstellte und bereitgestellte Daten (z.B. digitale Inhalte wie Fotos, Dokumente etc.). Sie bedeuten aber auch digitale Dienstleistungen, worin die Erstellung, die Verbreitung die Speicherung von Daten sowie der Zugang zu diesen Daten und die gemeinsame Nutzung ermöglicht werden soll. Das erfasst z.B. Verträge über die Fernnutzung von Software und Daten, die Nutzung von Video- und Audioinhalten und anderen Formen des Datenhosting oder von cloud Lösungen. Eine gemeinsame Nutzung findet z.B. bei Social Media- und Messengerdiensten statt, betrifft aber auch Plattformen, die sich z.B. auf den Verkauf von Produkten, die Buchung von Dienstleistungen (z.B. Reisedienstleistung) beziehen oder als Vergleichs- oder Vermittlungsportale genutzt werden.

Die neuen gesetzlichen Vorschriften sind aber beispielsweise nicht für sogenannter Open Source Software anzuwenden, auch nicht für Telekommunikationsdienste oder ärztliche Behandlungsverträge, auch nicht für Glücksspieldienstleistungen oder Finanzdienstleistungen.

 

Paketverträge

Werden dem Verbraucher nicht nur digitale Produkte bereitgestellt, sondern auch andere Sachen oder andere Dienstleistungen, so liegt ein Paketvertrag vor. Grundsätzlich sind dann die Vorschriften über digitale Produkte nur auf denjenigen Vertragsteil anzuwenden, der sich auf digitale Produkte bezieht. Wenn allerdings digitale Produkte in Sachen enthalten sind (z.B. Smart           watch, Smartphone, o.ä.) oder wenn digitale Produkte ein Gerät steuern und somit mit dem Gerät verbunden sind, so finden diese Regelungen auch nur auf den Anteil der digitalen Produkte Anwendung.

Allerdings findet auf den Gesamtvertrag die Regelung zu digitalen Produkten Anwendung, wenn die Ware nicht ohne die Funktion der digitalen Produkte genutzt werden kann (waren mit digitalen Elementen, z.B. Waschmaschine, Kaffeemaschine mit App-gestützter Steuerung o.ä.).

In der Praxis wird deshalb genau zu unterscheiden sein, inwieweit digitale Produkte für die Funktionsfähigkeit der Ware von Bedeutung sind, ob digitale Produkte die Bedeutung der Ware erst ausmachen und ob sie mit oder ohne sie genutzt werden können.

 

Bereitstellung digitaler Produkte

Der Verbraucher kann verlangen, dass die von ihm erworbenen digitale Produkte ihm sofort zur Verfügung gestellt oder zugänglich gemacht werden. Geschieht dies nicht, muss er den Unternehmer mahnen. Stellt der Unternehmer die digitalen Produkte dann immer noch nicht unverzüglich bereit, kann der Verbraucher den Vertrag kündigen und gegebenenfalls Schadensersatz verlangen. Beweispflichtig dafür, dass bereitgestellt worden ist, ist der Unternehmer.

 

Produktmängel

Das digitale Produkt muss frei von Produkt- und Rechtsmängeln sein. Das war auch schon unter dem alten Recht so. Der Begriff „Produktmängel“ ist gleichzusetzen mit dem bisher verwendeten Begriff „Sachmangel“. Folgende Umstände gelten bei digitalen Produkten nun als Produktmangel:

  1. Das Produkt entspricht nicht

der vereinbarten Beschaffenheit (d. h. nicht der vereinbarten Menge, Funktionalität, Kompatibilität und Interoperabilität)

und eignet sich nicht

für die nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung;

  1. das Produkt wird nicht mit dem vereinbarten Zubehör, Anleitungen und dem erforderlichen Kundendienst bereitgestellt und
  2. die im Vertrag vereinbarten Aktualisierungen werden während des vertraglich vereinbarten Zeitraums nicht bereitgestellt.

Neu ist, dass diese „subjektiven Produktmängel“ sich nun nicht mehr gegenseitig ausschließen, sondern bereits dann ein Produktmangel vorliegt, wenn nur eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist. Entscheidend wird in Zukunft also sein, was der Unternehmer mit seinem Kunden konkret vertraglich vereinbart. Insbesondere muss er ein Augenmerk auf die Definition der Beschaffenheit legen und auch dazu bereit und in der Lage sein, Aktualisierungen zumindest für den Gewährleistungszeitraum dem Kunden zur Verfügung stellen zu können. Dass dies gewährleistet ist, muss der Unternehmer insbesondere dann berücksichtigen, wenn er die Aktualisierung nicht selbst produziert, sondern etwa ein Software Update über Dritte bezieht.

  1. Außerdem ist das Produkt mangelhaft, wenn es objektiven Anforderungen nicht genügt, nämlich dass es sich
    1. für die gewöhnliche Verwendung nicht eignet
    2. hinsichtlich seiner Beschaffenheit, Menge, Funktionalität und Kompatibilität sowie hinsichtlich seiner Zugänglichkeit, Kontinuität und Sicherheit hinter Produkten derselben Art zurückbleibt, wohingegen der Verbraucher die Erfüllung dieser Kriterien aber erwarten durfte,
    3. eine Abweichung von einer Testversion vorliegt,
    4. Zubehör oder Anleitungen, die vom Verbraucher erwartet werden können, nicht mitgeliefert wurden,
    5. der Verbraucher keinerlei Aktualisierungen erhält und über diese auch nicht informiert wird und
    6. die Version des digitalen Produkts im Zeitpunkt der Bereitstellung nicht der neuesten Version entspricht.

Bemerkenswert ist, dass sich der Kunde etwa auch auf die beworbenen Produkteigenschaften des Herstellers berufen kann, selbst wenn er nicht mit diesem direkt, sondern lediglich mit einem Zwischenhändler einen Vertrag abgeschlossen hatte.

  1. Schließlich muss sich das digitale Produkt mit den Komponenten der digitalen Umgebung des Verbrauchers verbinden oder in diese einbinden lassen können (z.B. Netzwerk, Software, Hardware).
  2. Natürlich stellt es auch weiterhin einen Mangel dar, wenn eine völlig anderes digitales Produkt geliefert wird als es vertraglich vereinbart wurde.

 

Aktualisierungen

Der Unternehmer muss sicherstellen, dass dem Verbraucher während des Vertragszeitraumes Aktualisierungen bereitgestellt werden und der Verbraucher über diese Aktualisierungen auch informiert wird. Dazu gehören insbesondere auch Updates zur Sicherheit des Produkts.

 

Zeitpunkt der Mangelfreiheit

Erstmals wird auch nicht nur auf den Zeitpunkt der Bereitstellung (das ist in der Regel der Zeitpunkt der Lieferung als Zeitpunkt des Gefahrübergangs), sondern auch auf den Zeitraum abgestellt, welcher vertraglich vereinbart wurde (z.B. eine feste Vertragslaufzeit von 12 Monaten). Für diesen Bereitstellungszeitraum sind laufend Aktualisierungen bereitzustellen und darüber zu informieren. Ist ein solcher Bereitstellungszeitraum nicht konkret vereinbart worden, so orientiert sich das Gesetz an demjenigen Zeitraum, den der Verbraucher aufgrund der Art und Weise des digitalen Produkts von vergleichbaren anderen Produkten erwarten darf (das ist in der Regel die Gewährleistungsfrist von 2 Jahren).

 

Gewährleistungsrechte

Wenn das digitale Produkt mangelhaft ist, hat der Verbraucher die bislang bekannten Gewährleistungsrechte, nämlich

  • das Recht auf Nacherfüllung
  • das Recht auf Vertragsbeendigung (Rücktritt) oder Preisminderung und
  • Anspruch auf Schadensersatz oder Ersatz vergebliche Aufwendungen.

 

Verjährung

Die Verjährungsfrist beträgt auch wie bisher 2 Jahre. Neu ist allerdings der Beginn der Verjährungsfrist. Wird nämlich das digitale Produkt aufgrund seiner Eigenart im Vertrag dauerhaft dem Verbraucher bereitgestellt, so verjähren die Ansprüche nicht vor Ablauf von 12 Monaten nach dem Ende des Bereitstellungszeitraumes.

Wird die Aktualisierung vom Unternehmer verletzt, so verjähren Ansprüche daraus für den Verbraucher nicht vor Ablauf von 12 Monaten nach dem Ende des für die Aktualisierung maßgeblichen Zeitraums.

Konkret geregelt wurde auch, was geschieht, wenn sich ein Mangel erst gegen Ende der Verjährungsfrist zeigt (etwa nach 22 Monaten). Dann gilt, dass die Verjährung nicht vor Ablauf von 4 Monaten nach demjenigen Zeitpunkt eintritt, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat.

 

Beweislastumkehr

Sodann kommt es natürlich auf die Frage an, wer beweisen muss, zu welchem Zeitpunkt ein Produktmangel vorgelegen hat und ob es sich dabei überhaupt um einen Produktmangel im Sinne der vorstehenden Kriterien handelt. Bei Verbrauchsgütern war schon bislang geregelt, dass bei Mängeln innerhalb der ersten 6 Monate nach Lieferung der Unternehmer zu beweisen hatte, dass die Ware im Zeitpunkt der Lieferung mangelfrei gewesen war. Dieser Zeitraum wird nun auf ein Jahr verlängert. Insofern gilt auch die Vermutungswirkung, was heißt, dass bei Auftreten eines Produktmangels während des 1. Jahres ab Bereitstellung vermutet wird, dass der Produktmangel vom Unternehmer zu vertreten ist.

 

Regress in der Lieferkette

in der Praxis sind Lieferketten an der Tagesordnung. Der Hersteller liefert seine Ware an den Lieferanten, dieser an den Verkäufer und der Verkäufer veräußert die Ware an den Käufer. Wie verhält es sich mit den Gewährleistungsansprüchen und insbesondere auch mit Gewährleistungsfristen innerhalb dieser Lieferkette?

Ab dem 01.01.2022 gilt, dass der Verkäufer beim Verkauf einer neu hergestellten Ware gegenüber dem Lieferanten den Ersatz aller Aufwendungen verlangen kann, die einem Verhältnis zu seinem Käufer auch zu tragen hatte. Das gilt allerdings nur dann, wenn der vom Käufer geltend gemachte Mangel im Zeitpunkt der Lieferung seitens des Lieferanten an den Verkäufer auch schon vorhanden gewesen war. In diesem Fall kann der Verkäufer gegenüber dem Lieferanten Regress nehmen. Zu beachten ist, dass natürlich in einem Lieferkettenverhältnis, in dem ausschließlich Unternehmen beteiligt sind, die kaufmännische Rügepflicht gilt, d. h. der Empfänger und Käufer der Ware muss diese unverzüglich auf Mängel hin prüfen.

Stress entsteht, wenn mit zeitlicher Verzögerungsmängel geltend gemacht werden, da sich dann die Frage der Verjährung von Gewährleistungsansprüchen stellt. Dieses Problem hat das Gesetz dadurch gelöst, indem er eine Ablaufhemmung für die Verjährung für alle Regressansprüche vorgesehen hat. Somit tritt die Verjährung gegenüber dem Vorlieferanten frühestens nach Ablauf von 2 Monaten, nachdem der Verkäufer die Gewährleistungsansprüche des Käufers erfüllt hatte, ein.

 

Hans-Peter Heinemann, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Handels- u. Gesellschaftsrecht

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