Dr. Hille Heinemann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB

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April 2023

Vorsicht beim Unternehmensverkauf – Haftung trotz Haftungsausschluss

Bei Unternehmensverkäufen wird in den Kaufverträgen regelmäßig vereinbart, dass der Verkäufer keinerlei Gewährleistung übernimmt. Stattdessen vereinbaren die Kaufvertragsparteien einen umfassenden Garantienkatalog, für welchen der Verkäufer unabhängig von einem Verschulden jedenfalls eintreten will. Der Verkäufer eines Unternehmens ist deshalb gut beraten, genau zu überlegen, welche Garantien er abgibt. Stellt sich nämlich später heraus, dass eine Garantie verletzt wurde, haftet er für den dem Käufer dadurch entstehenden Schaden.

Das ist jedoch nicht das einzige Haftungsrisiko. Denn angesichts eines letztlich vereinbarten Haftungsausschlusses für Gewährleistungsansprüche unterliegen viele Unternehmensverkäufe der fehlerhaften Annahme, sie hätten keinerlei Aufklärungspflichten. Wenn etwa der Verkäufer ein wirtschaftlich angeschlagenes Unternehmen, welches in den letzten Jahren durchgehend Verluste erwirtschaftete, veräußert, muss er sich darüber im Klaren sein, dass er auf wichtige Umstände, die für den Käufer im Hinblick auf seine Kaufentscheidung maßgeblich sind, auch hinweisen muss. Dies ist mittlerweile ständige Rechtsprechung des BGH. Zwar muss der Verkäufer nicht ungefragt über sämtliche negativen Aspekte, welche sein Unternehmen betreffen, den Käufer aufklären. Das gilt allerdings nicht für schwerwiegende Umstände, welche die Kaufentscheidung des Käufers wesentlich beeinflussen und für diesen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sind.

So hat sich das OLG München in einer Entscheidung vom 03.12.2020 (Az. 23 U 5742/19, NZG 2021,423) mit der Frage zu befassen gehabt, über welche Umstände der Unternehmensverkäufer ungefragt den Käufer aufklären muss. In dem zu entscheidenden Fall wurde in Rechtsform einer GmbH ein Diskothekenbetrieb veräußert. Zwar hatte der Käufer die aktuelle BWA sowie den letzten Jahresabschluss vorliegen, aus welchen hervorging, dass Verluste erwirtschaftet wurden. Der Verkäufer hatte jedoch auf Nachfrage des Käufers ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die Umsätze wieder ins Plus drehen würden und künftig mit einem Return on Invest zu rechnen wäre.

Tatsächlich erwirtschaftete die Gesellschaft jedoch zu keiner Zeit Gewinne, worauf der Käufer jedoch nicht hingewiesen wurde. Er vertraute auf die Aussage des Verkäufers, musste nach dem Unternehmenskauf jedoch später Insolvenz anmelden. Aufgrund dessen machte er Schadensersatzansprüche gegenüber dem Verkäufer geltend, und dies nach einer Entscheidung des OLG München mit Erfolg. Zunächst meinte das OLG, dass in den vorgenannten Äußerungen des Verkäufers eine Falschangabe liegt, womit der Verkäufer eine wirtschaftlich unzutreffende Situation vorgespiegelt hätte. Denn der Käufer hatte lediglich die aktuelle BWA vorliegen und hatte ferner aufgrund der Aussage des Verkäufers angenommen, dass in der Vergangenheit immerhin Gewinne erwirtschaftet worden wären.

Neben dem Verbot, den Käufer über die wirtschaftlichen Umstände des Unternehmens zu täuschen, besteht die gesteigerte Pflicht, über für den Käufer wichtige Umstände im Hinblick auf seine Kaufentscheidung aufzuklären. Im vorliegenden Fall hatte nach Meinung des OLG München der Verkäufer es versäumt, den Käufer zweifelsfrei darauf hinzuweisen, dass die Gesellschaft bislang nur negative Ergebnisse erzielt hatte. Ferner verlangt das OLG, dass der Verkäufer auch über die Höhe der Verluste aufzuklären hatte. Nur dann wäre der Käufer in der Lage gewesen, die schlechte Rentabilität des Unternehmens, welches letztendlich zur Insolvenz geführt hatte, zu erkennen. Dabei vertritt das OLG zudem die Auffassung, dass selbst im Falle der Durchführung einer Due Diligence diese Aufklärungspflicht durch den Verkäufer nicht entfällt. Denn aus den Unterlagen der Due Diligence sind in der Regel nicht alle den Ertrag des Unternehmens beeinflussende Faktoren ersichtlich.

Daran zeigt sich: Die Entscheidung des OLG München beweist, dass die Haftungs- und Anfechtungsgefahr wegen der Unterlassung von erforderlichen Aufklärungspflichten bei Unternehmenskaufverträgen nicht zu unterschätzen ist. Die Schwelle, mit der eine Täuschung durch den Verkäufer beim Käufer erreicht werden kann und ihm sodann auch Täuschungsvorsatz unterstellt werden kann, ist geringer als gemeinhin gedacht. Den Verkäufer kann es nur schützen, wenn dem Käufer vorzuwerfen ist, dass er die ihm vorgelegten Unterlagen nicht hinreichend geprüft und zur Kenntnis genommen hat. Ob dies ein Trost ist, bleibt der Prüfung des Einzelfalls überlassen.

Bei Fragen zu Unternehmensverkäufen sowie zu Post-M&A-Streitigkeiten wenden Sie sich an

Hans-Peter Heinemann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Compliance Officer (Univ.)
Wirtschaftsmediator (IHK)
heinemann@dr-hille-heinemann.de

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