Dr. Hille Heinemann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
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August 2024
Zivilrechtliche Besonderheiten bei der Übertragung von Grundstücken auf Minderjährige
Grundsätzlich können Minderjährige nicht wirksam am Rechtsverkehr teilnehmen. Ein Minderjähriger der zwar das 7., nicht aber das 18. Lebensjahr vollendet hat, kann nur eingeschränkt am Rechtsverkehr teilnehmen. Für die Wirksamkeit seiner Erklärung kommt es auf die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters an. Schließt der Minderjährige ein entsprechendes Rechtsgeschäft ohne die erforderliche Zustimmung ab, ist es bis zur Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter schwebend unwirksam. Es entstehen hieraus keine Rechte und Pflichten.
Vertretung des Minderjährigen
Gesetzliche Vertreter sind regelmäßig die Eltern. Schließt der Minderjährige jedoch ein Geschäft mit seinen Eltern ab, sind diese von der gesetzlichen Vertretung ausgeschlossen. Ist nur ein Elternteil an dem Geschäft beteiligt, bleibt der andere Elternteil von der gesetzlichen Vertretung ausgeschlossen, um eine Interessenkollision zu vermeiden. In den vorgenannten Fällen wird der Minderjährige von einem zu bestellenden Ergänzungspfleger vertreten.
Die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ist allerdings nicht erforderlich, wenn der Minderjährige durch die entsprechende Willenserklärung lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt. Maßgeblich ist dabei nicht die gesamtwirtschaftliche Betrachtung, also ob der Minderjährige ein „gutes Geschäft“ gemacht hat. Entscheidend ist die rechtliche Wirkung des Geschäfts. Es bedürfen also auch objektiv wirtschaftlich vorteilhafte Geschäfte grundsätzlich der Einwilligung, sofern eine – rechtlich nachteilige – Verpflichtung zur Gegenleistung besteht.
Schenkung von Grundstücken an Minderjährige
Die Frage des Erfordernisses eines zu bestellenden Ergänzungspflegers wird insbesondere bei Grundstücksschenkungen des einen Elternteils an die gemeinsamen, minderjährigen Kinder relevant. In diesen Fällen nimmt das Grundbuchamt oft an, dass die beschenkten Minderjährigen hierdurch nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangen, und fordert die Genehmigung eines Ergänzungspflegers.
Die Frage, ob die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück lediglich rechtlich vorteilhaft ist, kann dabei nicht allgemein, sondern nur im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls beantwortet werden. Aus der bloßen Verpflichtung zur Tragung gewöhnlicher öffentlicher Lasten im Zuge einer Grundstücksschenkung folgt nach Ansicht der Rechtsprechung noch kein rechtlicher Nachteil (BGH, Beschluss vom 25.11.2004 V ZB 13/04). Wird der Minderjährige also durch schenkweise Übertragung Alleineigentümer eines nicht vermieteten oder verpachteten Grundstücks, führt dies grundsätzlich nicht zu rechtlichen Nachteilen und bedarf keiner Genehmigung eines Ergänzungspflegers.
Die schenkweise Überlassung von Wohnungseigentum ist hingegen für den beschenkten Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, da er mit dem Erwerb des Wohnungseigentums nicht nur einen Vermögensgegenstand erwirbt, sondern Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft wird und damit kraft Gesetzes persönlichen Verpflichtungen einhergehen (BGH, Beschluss vom 30.9.2010 V ZB 206/10). Eine solche Schenkung führt also zu rechtlichen Nachteilen.
Diese Rechtsprechung wurde jüngst u. a. in der Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 08.08.2023 (1 W 68/23) auf den Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem nicht vermieteten oder verpachteten Grundstück durch einen Minderjährigen neben einem anderen Minderjährigen übertragen. In dem vom KG Berlin zu entscheidendem Fall hatte ein Vater sein Grundstück an die beiden minderjährigen Kinder übertragen. Die Kinder wurden dabei von Vater und Mutter vertreten. Laut KG Berlin wurden die Minderjährigen durch den Miteigentumserwerb Teil einer Bruchteilsgemeinschaft und damit mit Verpflichtungen belastet, für die sie persönlich mit ihrem sonstigen Vermögen haften. Eine solche Schenkung führe somit zu rechtlichen Nachteilen und bedürfe der Genehmigung durch einen Ergänzungspfleger.
Die Entscheidung des KG Berlin wurde nun mit Beschluss vom 18.4.2024 (V ZB 51/23) vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem nicht vermieteten oder verpachteten Grundstück durch einen Minderjährigen sei laut BGH lediglich rechtlich vorteilhaft. Die Genehmigung durch einen Ergänzungspfleger sei daher nicht erforderlich. Dabei sei der Erwerb von Miteigentum wie der Erwerb von Alleineigentum zu behandeln.
Die jüngste Entscheidung des BGH beseitigt die Unsicherheit bei der Schenkung von nicht vermieteten oder verpachteten Grundstücken an mehrere Kinder unter Beteiligung Minderjähriger. Bei einer solchen Übertragung ist grundsätzlich nicht die Genehmigung eines Ergänzungspflegers erforderlich. Ob sonstige Nachteile aus der Übertragung des Grundstückseigentums erwachsen und damit die Genehmigung eines Ergänzungspflegers erforderlich machen, bleibt jedoch weiterhin für den Einzelfall zu prüfen.
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