Dr. Hille Heinemann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
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Mai 2024
Steuerberaterhaftung für Sozialversicherungspflicht bei Durchführung der Lohnbuchhaltung
Die Frage, ob ein Mitarbeiter eines Unternehmens oder etwa deren Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist und insofern Sozialversicherungsbeiträge auf dessen Lohn erhoben und abgeführt werden müssen, ist häufig rechtlich eine äußerst schwierige Frage. Insbesondere bei GmbH-Geschäftsführern kommt es dabei auf den Umfang der Gesellschaftsbeteiligung sowie deren gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten an. Bei Mitarbeitern steht diese Frage häufig im Zusammenhang mit der sogenannten Scheinselbstständigkeit, betrifft also in der Regel freie Mitarbeiter, bei denen die Kernfrage ist, ob sie letztendlich nicht doch abhängig beschäftigt im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV sind.
Empfindliche Nachzahlungen an Deutschen Rentenversicherung (DRV) drohen
Die Einordnung der Sozialversicherungspflicht kommt meist dort auf, wo die Lohnabrechnungen gemacht werden, nämlich beim Steuerberater. So stellt sich die Frage, ob und inwieweit dieser verpflichtet ist, die Umstände der Sozialversicherungspflicht für seinen Mandanten zu prüfen und dementsprechend eine Einordnung des Beschäftigungsverhältnisses vorzunehmen. Denn wenn durch eine Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) festgestellt wird, dass ein Beschäftigungsverhältnis, für welches keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden waren, gleichwohl sozialversicherungspflichtig ist, droht dem Unternehmen eine hohe Nachzahlung nicht nur in Höhe der ausstehenden Sozialversicherungsbeiträge, sondern auch in Höhe von Säumniszuschlägen. Dies kann in der Praxis zu empfindlichen Nachzahlungen in sechsstelliger Höhe führen.
Prüfung der Sozialversicherungspflicht nicht Gegenstand des Lohnbuchhaltungsmandats
Der BGH hat in einer Entscheidung (Urteil vom 8. Februar 2024, IX ZR 137/22) geurteilt, dass ein Steuerberatermandat, welches lediglich die Durchführung der Lohnbuchhaltung enthält, nicht auch die eigenständige Klärung der Sozialversicherungspflicht eines Lohnempfängers umfasst. Betroffen waren in der Entscheidung drei Gesellschafter-Geschäftsführer. Zur Begründung führt der BGH an, dass die Beantwortung der Statusfrage einer Abgrenzung bedarf, ob eine gesetzliche Sozialversicherungspflicht durch eine abhängige Beschäftigung vorliegt oder aufgrund anzunehmender Selbstständigkeit Versicherungsfreiheit gegeben ist. Diese Abgrenzung kann aufgrund der Komplexität der Sozialgerichtsrechtsprechung nur mit besonderer Sachkunde auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts beantwortet werden. Einem Lohnbuchhalter bzw. Steuerberater mit dem durchschnittlichen Mandatsauftrag, lediglich die Lohnbuchhaltung, welche für sich genommen einer schematischen Tätigkeit entspricht, durchzuführen, obliegt nicht die Pflicht, eine sozialversicherungsrechtliche Einordnung des Beschäftigungsverhältnisses vorzunehmen.
Insofern hat der BGH ausdrücklich seine bisherige Rechtsprechung, wonach ein Lohnbuchhalter grundsätzlich zu prüfen habe, ob ein Beschäftigungsverhältnis, für welches bislang keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden, sozialversicherungspflichtig sei, mit dem vorgenannten Urteil aufgegeben. Insbesondere hebt der BGH hervor, dass vom Lohnbuchhalter und Steuerberater nicht erwartet werden kann, dass er die einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kennt und verfolgt.
Steuerberater muss nur bei Vorgabe Sozialversicherungspflicht prüfen lassen
Hat der Auftraggeber des Steuerberaters vorgegeben, dass keine Sozialversicherungspflichtigkeit besteht, ist der Steuerberater grundsätzlich nicht gehalten, dies eigenständig zu überprüfen. Die Prüfungspflicht richtet sich vielmehr nach dem ausdrücklichen Inhalt des Steuerberatermandats. Liegt keine Weisung durch den Auftraggeber vor, hat der Steuerberater diese vom Auftraggeber einzuholen. Denn im Rahmen der Lohnabrechnung muss ein Beschäftigungsverhältnis durch buchhalterische Einschlüsselung als sozialversicherungspflichtig oder sozialversicherungsfrei eingeordnet werden.
Fehlt es jedoch an einer ausdrücklichen Weisung des Auftraggebers, muss der Lohnbuchhalter auf eine Klärung der Frage der Sozialversicherungspflicht durch den Auftraggeber hinwirken. So besteht beispielsweise bei Anstellungsverträgen mit Gesellschafter-Geschäftsführern Anlass zu näherer Prüfung, in dem die Gesellschafterstellung zu prüfen ist. Hierbei hat der Steuerberater dann, wenn Zweifelsfragen offen sind, insbesondere wenn das Beschäftigungsverhältnis als sozialversicherungsfrei seitens des Auftraggebers bislang behandelt wird, darauf hinzuweisen, dass Rechtsrat durch einen Rechtsanwalt eingeholt werden muss oder aber ein Statusfeststellungsverfahren durchgeführt werden sollte, um die Frage der Sozialversicherungspflicht rechtssicher zu klären.
Schon gar nicht, so der BGH, müssen Steuerberater oder Lohnbuchhalter die Frage der Sozialversicherungspflicht klären, wenn der Auftraggeber vorgibt, diese Frage sei bereits rechtlich geklärt worden. Insofern empfiehlt es sich für den Steuerberater, entsprechende Korrespondenz zur Prüfung der Sozialversicherungspflicht mit dem Auftraggeber zu dokumentieren.
Mitverschulden des Unternehmens möglich
Der BGH erwähnt in seiner vorgenannten Entscheidung aber auch, dass sich das zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen verpflichtete Unternehmen den Vorwurf des Mitverschuldens machen muss, wenn es Anlass dazu hat, dass von mehreren außenstehenden Beratern die Sozialversicherungspflicht von Beschäftigungsverhältnissen unterschiedlich und widersprüchlich beurteilt worden ist. Im vorliegenden Fall waren fälschlicherweise die Beschäftigungsverhältnisse der Gesellschafter von der Handwerkskammer sowie durch einen Versicherungsmakler in unterschiedlicher Weise als sozialversicherungsfrei bzw. sozialversicherungspflichtig bewertet worden. Für diesen Fall, sagt der BGH, müsse das Unternehmen, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, aus eigenem Antrieb eine fachkundige Überprüfung der Sozialversicherungspflicht veranlassen.
Fazit
Der BGH hat seine Rechtsprechung aufgegeben, dass ein Lohnbuchhalter oder Steuerberater verpflichtet wäre, zunächst eigenständig zu prüfen und zu beurteilen, ob ein Beschäftigungsverhältnis sozialversicherungspflichtig ist. Drängt sich jedoch auf, dass die Frage der Sozialversicherungspflicht nicht eindeutig ist und somit geklärt werden sollte, muss der Steuerberater auf eine Klärung durch den Auftraggeber hinwirken, etwa durch Einholung einer Beratung durch einen Rechtsanwalt oder mittels Durchführung eines Statusverstellungsverfahrens.
Unsere Rechtsanwälte für Gesellschaftsrecht und Steuerrecht bei Dr. Hille Heinemann Rechtsanwälte unterstützen Sie gerne bei allen Fragen rund um das Thema Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern und Mitarbeitern im Unternehmen.
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