Dr. Hille Heinemann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
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Oktober 2024
Die Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern in der Konzern-Muttergesellschaft – Neues Urteil BSG vom 20. Februar 2024
Die Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern ist immer wieder Gegenstand der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Denn sehr häufig gelangen Gesellschafter, welche zugleich Geschäftsführer sind und für ihre Tätigkeit eine Vergütung beziehen, in den Fokus der Deutschen Rentenversicherung (DRV), welche ihren Status dahingehend überprüft, ob sie abhängig beschäftigt sind oder nicht. Diese Frage wird selbstverständlich auch in Konzernstrukturen beleuchtet, etwa wenn Geschäftsführer in der Tochtergesellschaft zugleich Gesellschafter und Geschäftsführer in der Muttergesellschaft sind.
Einfluss der Beteiligungshöhe auf die Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern
Die ständige Rechtsprechung des BSG hat klargestellt: Ein Gesellschafter-Geschäftsführer, welcher zu 50 % oder mehr an dem Unternehmen beteiligt ist, verfügt insofern über ein Vetorecht, das eine Entscheidung etwa zur Anweisung einer bestimmten Geschäftsführerhandlung gegen ihn blockieren kann. Für diesen Fall sind Weisungen durch die Gesellschafterversammlung an ihn rechtlich nicht möglich. Sodann sieht das BSG keinen Anlass für eine Sozialversicherungspflicht, sodass auf die Geschäftsführervergütung keine Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen sind.
Anders ist dies dann, wenn es sich um einen Gesellschaftergeschäftsführer mit einer Minderheitsbeteiligung handelt. Hält der Geschäftsführer etwa nur 30 % seiner Anteile, steht ihm letztlich ein Vetorecht nicht zu, da er sich mit dieser Minderheitsbeteiligung in der Gesellschafterversammlung nicht durchzusetzen vermag. Vielmehr wird er hinsichtlich Anweisungen an ihn durch die weiteren Gesellschafter überstimmt werden können. Die Sozialversicherungsfreiheit lässt sich in solchen Fällen nur dann retten, wenn in dem Gesellschaftsvertrag ausdrücklich ein Vetorecht zugunsten des Minderheit-Gesellschafters unabhängig von der Beteiligung vorgesehen ist, welches dazu führt, dass der Minderheitsgesellschafter damit jede Entscheidung der Gesellschafterversammlung blockieren kann. Wichtig ist hierbei: Das Vetorecht muss sich auf alle möglichen Beschlussgegenstände beziehen und darf nicht nur den Bereich der grundlegenden und wesentlichen Gesellschafterbeschlüsse betreffen.
Ebenso wenig ist es ausreichend, wenn ein solches Vetorecht nicht etwa im Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung angelegt ist, sondern nur durch einen sogenannten Stimmbindungsvertrag als reine schuldvertragliche Abrede vorgesehen ist. Für diesen Fall, sagt das BSG, ist von einer sozialversicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigung auszugehen. Denn ein solcher Stimmbindungsvertrag, mit dem die übrigen Gesellschafter gehindert sind, gegen den Minderheitsgesellschafter Weisungen zu erteilen, kann letztlich gekündigt werden und das Vetorecht des Minderheitsgesellschafters damit beseitigen. Hiervon geht das BSG jedoch nicht aus, wenn ein solches Vetorecht im Gesellschaftsvertrag verankert ist.
Aktuelles BSG-Urteil zur Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern
Besondere Aufmerksamkeit gilt auch in Fällen von Konzernstrukturen. So stellt sich die Frage, wie es um die Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern bestellt ist, die in der Tochtergesellschaft als Geschäftsführer tätig sind und zugleich Gesellschafter in der Muttergesellschaft sind. Das BSG hat mit seinem Urteil vom 20. Februar 2024 (Aktenzeichen B 12 KR 1/22 R) dazu festgestellt, dass es darauf ankommt, ob der Gesellschafter aufgrund seiner Stimmrechte in der Muttergesellschaft in der Lage ist, Weisungen gegen sich als Geschäftsführer in der Tochtergesellschaft zu verhindern. Das ist nämlich nicht der Fall, wenn der in der Muttergesellschaft befindliche Gesellschafter nicht mehr als 50 % der Anteile hält. Denn dann ist er nicht in der Lage, einen Gesellschafterbeschluss auf der Ebene der Muttergesellschaft durchzusetzen, welche der Geschäftsführer der Muttergesellschaft in der Gesellschafterversammlung der Tochtergesellschaft zu beschließen hätte. Stünde also in der Tochtergesellschaft ein Gesellschafterbeschluss mit einer Anweisung an den Geschäftsführer bevor, müsste der Geschäftsführer als Gesellschafter in der Muttergesellschaft dafür sorgen können, dass der Geschäftsführer der Muttergesellschaft in der Gesellschafterversammlung der Tochtergesellschaft gegen die Weisung stimmt. Das gelingt ihm nur, wenn er mehr als 50 % der Anteile in der Muttergesellschaft hält.
Diese Entscheidung des BSG erscheint in sich stimmig und konsequent und setzt die Linie der BSG-Entscheidungen zur Sozialversicherungspflicht von Gesellschaftergeschäftsführern in Konzernstrukturen fort. Bei der sozialversicherungsrechtlichen Prüfung sollte also darauf Acht gegeben werden, welche Durchsetzungsmacht der in der Tochtergesellschaft tätige Geschäftsführer als Gesellschafter in der Muttergesellschaft hat.
Herr Heinemann erläutert Ihnen außerdem mehr in unserem Video-Blog: “Sozialversicherungspflicht Geschäftsführer in GmbH & Co. KG“. Gern beantworten wir Ihre weiteren Fragen.

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