Dr. Hille Heinemann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
Pröllstraße 24 | 86157 Augsburg.
Telefon +49 (0) 821.650 534-0
Juni 2025
Pflichtteil und Unternehmensbewertung – Was Unternehmer wissen sollten
Wenn ein Unternehmer verstirbt, sind oft nicht nur emotionale, sondern auch komplexe rechtliche und wirtschaftliche Fragen zu klären – insbesondere im Pflichtteilsrecht. Eine besonders heikle Frage lautet dann: Wie wird das Unternehmen für die Pflichtteilsberechnung bewertet? Denn anders als im Steuerrecht, ist das Pflichtteilsrecht in Sachen Unternehmensbewertung nur sehr rudimentär geregelt. Für Unternehmer, die ihr Unternehmen strategisch in der Nachfolge planen oder Pflichtteilsansprüche vermeiden bzw. vorbereiten möchten, lohnt sich ein genauer Blick.
Was bedeutet der „wirkliche Wert“ im Pflichtteilsrecht?
Im Pflichtteilsrecht ist der sogenannte „wirkliche Wert“ des Unternehmens maßgeblich. Doch was heißt das konkret?
- Es geht um eine wirtschaftlich fundierte Bewertung, die stille Reserven und immaterielle Werte wie den Firmenwert berücksichtigt.
- Eine gesetzlich vorgeschriebene oder einheitliche Bewertungsmethode gibt es nicht – Flexibilität ist ausdrücklich gewollt, um auf die Besonderheiten jedes Einzelfalls einzugehen.
Welche Bewertungsmethoden gibt es für Unternehmen im Erbfall?
In der Praxis kommen verschiedene Bewertungsansätze der Unternehmensbewertung zur Anwendung:
- Substanzwertmethode
Hier werden alle selbstständig verwertbaren Vermögensgegenstände des Unternehmens zu Wiederbeschaffungskosten summiert. Diese Methode stellt sozusagen die „Hardware-Bewertung“ des Unternehmens dar. - Ertragswertmethode
Diese basiert auf den zukünftig erzielbaren Erträgen, die auf den Bewertungsstichtag abgezinst werden. Sie gibt also den Wert der zu erwartenden Unternehmensgewinne wieder, ohne die Substanz des Unternehmens zu gefährden. - Liquidationswert
Wird das Unternehmen nicht weitergeführt, kommt der Liquidationswert ins Spiel – also der geschätzte Erlös bei Veräußerung aller Vermögensgegenstände abzüglich Schulden und Kosten. Bei Unternehmensfortführung ist er nur dann relevant, wenn kein positiver Ertragswert erkennbar ist – etwa bei ertraglosen Unternehmen ohne Zukunftsperspektive. - Discounted-Cash-Flow-Methode (DCF)
Diese moderne Methode gewinnt in der Praxis zunehmend an Bedeutung. Sie ermittelt den Unternehmenswert aus dem abgezinsten Free Cash Flow – also dem Betrag, den das Unternehmen ohne Schädigung seiner Substanz ausschütten kann.
Welche Methode ist zur Unternehmensbewertung am besten geeignet?
Das hängt vom Einzelfall ab. Die Rechtsprechung tendiert zunehmend zur Ertragswertmethode – insbesondere bei fortgeführten Unternehmen. Denn ein potenzieller Käufer würde sich bei der Preisbildung an der zukünftigen Rendite orientieren, nicht nur an der Substanz.
Allerdings gibt es Ausnahmen:
- Bei kleinen und mittleren Unternehmen oder Freiberuflerpraxen, deren Ertrag stark von der Person des bisherigen Inhabers abhängt, greift die Ertragswertmethode oft zu kurz. Hier kann der Substanzwert sachgerechter sein.
- Wird das Unternehmen kurz nach dem Erbfall verkauft, ist der tatsächlich erzielte Verkaufspreis eine besonders realistische Bewertungsbasis – näher an einem echten Marktwert als jede Rechenmethode.
Nachfolgeplanung & Pflichtteil: So sichern Sie Ihr Unternehmen ab
Für Unternehmer ist es entscheidend, sich frühzeitig mit diesen Bewertungsfragen auseinanderzusetzen – besonders im Rahmen der Nachfolgeplanung oder zur Absicherung der Familie:
- Pflichtteilsansprüche können die Unternehmensfortführung gefährden, wenn hohe Zahlungen aus dem Privatvermögen des Erben fällig werden.
- Eine realistische Bewertung und ggf. Gestaltung im Testament (z. B. durch Pflichtteilsverzicht oder Abfindungsregelungen) kann Konflikte vermeiden.
- Im Zweifel sollte ein Unternehmenswertgutachten eingeholt werden – im Idealfall unter Berücksichtigung verschiedener Methoden, um rechtlich und wirtschaftlich gut gerüstet zu sein.
Fazit: Unternehmensbewertung im Pflichtteilsrecht strategisch angehen
Das Pflichtteilsrecht verlangt keine mathematische Exaktheit, sondern eine sachgerechte, einzelfallbezogene Bewertung. Für Unternehmer bedeutet das: Gestalten statt abwarten. Wer sich mit dem Thema Unternehmensbewertung im Pflichtteilsrecht rechtzeitig beschäftigt, schützt nicht nur sein Lebenswerk, sondern sichert auch den Fortbestand des Unternehmens und die Handlungsfähigkeit seiner Erben.
Wenn Sie Fragen zur Unternehmensbewertung im Pflichtteilsrecht haben oder eine individuelle Nachfolgeregelung suchen, sprechen Sie gern mit uns.

Ihr Ansprechpartner
Hans-Peter Heinemann
Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Fachanwalt für
Handels- und Gesellschaftsrecht | Compliance Officer (Univ.) |
Wirtschaftsmediator (IHK)
+49 821.65 05 340 | heinemann@dr-hille-heinemann.de