Dr. Hille Heinemann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
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April 2025
Influencer als Handelsvertreter? Was Unternehmen und Creator wissen sollten
In der bunten Welt von Instagram, TikTok und YouTube sind sie längst fester Bestandteil: Influencer, die Produkte präsentieren, Marken promoten und Kaufanreize setzen. Doch was viele nicht wissen: Hinter dieser scheinbar lockeren Tätigkeit verbirgt sich oft eine juristische Grauzone – und mitunter sogar ein handelsvertreterrechtliches Verhältnis. Wer rechtlich auf der sicheren Seite sein will – ob Unternehmen oder Influencer – sollte sich mit den wichtigsten rechtlichen Einordnungen und Gestaltungsmöglichkeiten vertraut machen.
Was ist überhaupt ein Handelsvertreter?
Laut deutschem Handelsgesetzbuch (HGB) ist ein Handelsvertreter jemand, der selbstständig, dauerhaft, im Namen und für Rechnung eines Unternehmens Geschäfte vermittelt oder abschließt (§ 84 HGB). Auch die EU-Handelsvertreterrichtlinie (HV-RL) definiert ähnliche Kriterien.
Einfacher gesagt: Wer regelmäßig und selbstständig dafür sorgt, dass ein Unternehmen mehr verkauft, und dabei auf konkrete Abschlüsse hinwirkt, kann Handelsvertreter sein – egal, ob klassischer Vertriebler oder moderner Content Creator.
Wann gilt ein Influencer rechtlich als Handelsvertreter?
Ob ein Influencer als Handelsvertreter gilt, hängt von mehreren Faktoren ab. Die wichtigsten:
- Selbstständigkeit
Influencer arbeiten meist selbstständig – das ist klar. Sie entscheiden über Inhalte, Zeit und Ort ihrer Tätigkeit. Damit ist diese Voraussetzung oft erfüllt. - Dauerhafte Tätigkeit
Ein Influencer, der langfristig mit einem Unternehmen kooperiert – etwa über mehrere Monate hinweg regelmäßig Produkte bewirbt – kann als dauerhaft tätig gelten. Auch einzelne Kampagnen, wenn sie eine Vielzahl an Abschlüssen zum Ziel haben, können genügen. - Vermittlung konkreter Geschäfte
Hier trennt sich die Spreu vom Weizen: Nur wenn es wirklich um konkrete Verkäufe geht – z. B. durch Affiliate-Links, Rabattcodes oder direkte Weiterleitungen auf den Webshop – liegt eine Vermittlung im Sinne des Handelsvertreterrechts vor. Allgemeine Markenwerbung ohne Bezug zu einem Produktkauf reicht dagegen nicht. - Tätigkeit im Namen und für Rechnung des Unternehmens
Influencer treten zwar selten direkt im Namen des Unternehmens auf. Aber selbst wenn sie nur zum Webshop verlinken, liegt bereits eine mittelbare Kundenbeeinflussung vor, die als ausreichend gilt – auch wenn sie nicht selbst verhandeln oder Preise beeinflussen.
Rechtliche Folgen für Unternehmen beim Influencer-Handelsvertreterverhältnis
Wird ein Influencer rechtlich als Handelsvertreter eingestuft, greifen zahlreiche gesetzliche Schutzvorschriften:
- Kündigungsfristen (§ 89 HGB): Einfache Kündigungen mit kurzer Frist sind nicht möglich.
- Ausgleichsanspruch (§ 89b HGB): Bei Vertragsende kann dem Influencer eine erhebliche Zahlung zustehen, wenn das Unternehmen durch seine Arbeit neue Kunden gewonnen hat.
- Anspruch auf Buchauszug (§ 87c HGB): Der Influencer darf Informationen über vermittelte Geschäfte einfordern – ein Aufwand für das Unternehmen.
- Pflichten des Unternehmers (§ 86a HGB): Der Influencer muss mit Materialien und Informationen versorgt werden.
Diese Regelungen können für Unternehmen teuer und aufwendig sein – vor allem, wenn sie „unbeabsichtigt“ Handelsvertreterverträge schließen.
Influencer-Vertrag rechtssicher gestalten – so vermeiden Unternehmen das Handelsvertreterrecht
Zum Glück bietet das Recht Gestaltungsspielräume. Wer das Handelsvertreterrecht bewusst ausschließen oder umgehen möchte, sollte beim Vertrag auf folgende Punkte achten:
- Keine Vertriebspflicht vereinbaren
Ein Influencer, der nur “darf”, aber nicht “muss”, Produkte bewerben, ist kein Handelsvertreter. Achtung: Der Vertrag sollte keine regelmäßige Tätigkeit vorschreiben – auch nicht durch die Hintertür (z. B. durch Reportingpflichten oder Zeitpläne).
Praxis-Tipp: Auch wenn „Freiwilligkeit“ im Vertrag steht, wird die Realität geprüft. Wer regelmäßig Rechnungen schreibt oder regelmäßig Inhalte veröffentlicht, kann trotzdem als dauerhaft beauftragt gelten. - Keine Vermittlung von konkreten Geschäften
Verzichten Sie bewusst auf Links, Rabattcodes oder andere Formen, die konkrete Käufe messbar machen. Stattdessen: Allgemeine Markenkommunikation.
Praxis-Tipp: Je konkreter der Call-to-Action, desto größer das Risiko, dass ein Vermittlungsverhältnis vorliegt. - Vergütung pauschal regeln
Eine umsatzabhängige Vergütung (Provision) ist typisch für Handelsvertreter. Wer das vermeiden möchte, sollte eine feste Pauschale vereinbaren, z. B. auf Basis der Reichweite, Followerzahl oder Anzahl der Posts.
Vertragsklausel (Beispiel):
„Der Influencer erhält für seine Tätigkeit eine pauschale Vergütung in Höhe von […] Euro zzgl. USt. Mit dieser Vergütung sind sämtliche Leistungen und Nebenkosten abgegolten.“ - Nebenberuflich tätige Influencer bewusst einordnen
Ist der Influencer nicht hauptberuflich für das Unternehmen tätig, sondern etwa Student, Selbstständiger mit anderen Kunden oder baut ein eigenes Business auf? Dann kann er als Handelsvertreter im Nebenberuf eingestuft werden – mit geringeren gesetzlichen Pflichten für das Unternehmen.
Wichtig: Eine klare vertragliche Regelung („…im Nebenberuf“) und entsprechende Begründung (z. B. anderer Hauptberuf, geringe Einkünfte aus Influencer-Tätigkeit) ist erforderlich.
Fazit: Rechtssicherheit bei Influencer-Kooperationen für Unternehmen
Influencer-Marketing ist nicht nur kreativ, sondern auch rechtlich komplex. Je nach Vertragsgestaltung kann ein scheinbar lockerer Werbevertrag in Wirklichkeit ein Handelsvertretervertrag sein – mit weitreichenden Konsequenzen. Unternehmen wie Influencer sollten sich daher bewusst sein, welcher Vertragstyp vorliegt – und ihn gezielt gestalten.
Für Unternehmen: Vermeiden Sie unbeabsichtigte Handelsvertreterverhältnisse durch klare vertragliche Abgrenzung.
Für Influencer: Wissen ist Macht – wer weiß, ob er Handelsvertreter ist, kann seine Rechte und Pflichten besser einschätzen.
Wenn Sie Fragen zur rechtssicheren Zusammenarbeit mit Influencern haben oder sichergehen möchten, dass Ihre Kooperationen nicht unbeabsichtigt ein Handelsvertreterverhältnis begründen, sprechen Sie mit unseren erfahrenen Fachanwälten. Wir unterstützen Sie bei der rechtssicheren Vertragsgestaltung.

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Hans-Peter Heinemann
Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Fachanwalt für
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