Dr. Hille Heinemann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB

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Mai 2020

Erbfall „Patchwork-Familie“

Drei wichtige Punkte, die eine Regelung des Erbfalls durch letztwillige Verfügung unumgänglich machen

Ausgangslage

Das Erbrecht geht grundsätzlich von einer klassischen Mutter-Vater-Kind-Familie aus. In der heutigen Zeit gibt es aber diverse alternative Formen des familiären Zusammenlebens, die von diesem klassischen Familienbild abweichen. Die gesetzliche Erbfolge wird diesen individuellen Anforderungen nicht gerecht und bedarf daher der Gestaltung mittels Testament.

Zur Veranschaulichung des Regelungsbedarfes wird in diesem Beitrag die gesetzliche Erbfolge innerhalb einer „Patchwork Familie“ betrachtet. Dabei wird von einem in erster Ehe verheirateten Ehepaar F und M mit einer gemeinsamen Tochter T ausgegangen. Außerdem hat F den Sohn S und M den Sohn B aus einer früheren Beziehung. Die Ehegatten leben im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Die Vermögen beider Ehegatten betragen jeweils 100.000 €. Ein Testament gibt es von keinem der Ehegatten.

Ungleiche und zufällige Verteilung der Erbteile

Verstirbt zuerst M, erben seine Tochter T und sein Sohn B nach der gesetzlichen Erbfolge als Abkömmlinge des Erblassers jeweils ein Viertel der Erbschaft von M, also 25.000 €. Die Stieftochter S ist kein Abkömmling des Erblassers und erbt nichts. F erhält als Ehefrau des M die Hälfte der Erbschaft, also 50.000 €. Verstirbt nun F, hat sie im Todeszeitpunkt ein Vermögen von 150.000 € (eigenes Vermögen + hälftige Erbschaft M). T und S erben als Abkömmlinge von F zu gleichen Teilen, also je 75.000 €. Da B kein Abkömmling von F ist, erbt er nichts.

Nach dem Tod von F und M haben alle Abkömmlinge unterschiedliche Beträge der Erbschaften der Ehegatten erhalten: T 100.000 €, S 75.000 € und B 25.000€.

Verstirbt F zuerst, erhält T nach wie vor 100.000 €, S jedoch lediglich 25.000 € und B 75.000 €. Die gemeinsame Tochter ist gegenüber ihren Stiefgeschwistern privilegiert. Die Frage welches der Stiefkinder einen höheren Betrag erbt, hängt also alleine davon ab, welcher der Ehegatten zuerst verstirbt.

Die ungleiche Behandlung der Kinder kann testamentarisch beseitigt werden. So besteht eine klassische Gestaltungsvariante darin, dass sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben einsetzen und die Kinder als Schlusserben des letztversterbenden Ehegatten zu gleichen Teilen einsetzen (sog. Berliner Testament). Alternativ kann die erbrechtliche Gleichstellung der leiblichen Kinder und Stiefkinder nur durch Adoption erreicht werden.

Ex-Partner als Störfaktor

Ein weiteres Problem entsteht, wenn einem der Ex-Partner als überlebender Elternteil die alleinige Vermögenssorge seines minderjährigen Abkömmlings, der geerbt hat, zufällt. Damit würde der Ex-Partner Zugriff auf den im Erbteil seines Abkömmlings befindlichen Teil der Erbschaft des erstversterbenden Ehegatten erhalten.

Stirbt dieses Kind ohne selbst Abkömmlinge zu hinterlassen, erbt der Ex-Partner einen Teil der Erbschaft des Kindes und profitiert mittelbar vom Nachlass des erstversterbenden Ehegatten. Dies ist besonders problematisch, sollte das gemeinsame Familienhaus Teil der Erbschaft des erstversterbenden Ehegatten sein.

Soll der jeweilige Ex-Partner von der Vermögenssorge für den Erbteil seines Abkömmlings ausgeschlossen werden, kann dies durch die Ernennung eines Testamentsvollstreckers gelöst werden. Der Testamentsvollstrecker wird als Verwalter des Erbteils des Abkömmlings ernannt. Dem überlebenden, leiblichen Elternteil wird das Recht der Vermögenssorge für den Erbteil des Abkömmlings ausdrücklich entzogen.

Um zu verhindern, dass der Ex-Partner mittelbar an der Erbschaft partizipiert, können die Kinder beispielsweise als Vorerben ihrer zukünftigen Abkömmlinge (Nacherben) eingesetzt werden.

Grundsätzlich können also Erblasser die unbefriedigende Gesetzeslage für „Patchwork-Familien“ durch letztwillige Verfügungen korrigieren. Die Gestaltung dieser Verfügungen ist an die individuellen Bedürfnisse und Wünsche des Erblassers im Einzelfall anzupassen.

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