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Juni 2021

BGH ändert Rechtsprechung: Verjährung von Sozialversicherungsbetrug

Der BGH hatte in seinem Beschluss vom 01.09.2020 (Az. 1 StR 58/19) darüber zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt die Verjährung von Taten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266 Abs. 1 StGB beginnt.

Sachverhalt

Der Angeklagte setzte als Geschäftsführer einer GmbH in den Jahren 2007-2012 zur Erbringung von Bauleistungen illegal beschäftigte Mitarbeiter ein und verschleierte diese durch Abdeckrech-nungen. Der Angeklagte meldete die Arbeitnehmer nicht bei der jeweils zuständigen Einzugsstelle zur Sozialversicherung an und enthielt dadurch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozi-alversicherung vor. Auch die Beiträge zur berufsgenossenschaftlichen Unfallversicherung führte der Angeklagte nicht vollständig ab. Zudem machte der Angeklagte in Bezug auf die Abdeckrech-nungen gegenüber dem zuständigen Finanzamt unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen und verkürzte dadurch Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag.

In einigen Fällen hatte der Fälligkeitszeitpunkt für die Zahlungen der Sozialversicherungsbeiträge zwischen dem 29.01.2007 und dem 29.05.2008 gelegen. Die unvollständige Meldung an die Be-rufsgenossenschaft war am 06.02.2008 erfolgt und die unrichtigen Steuererklärungen hatte der Angeklagte zwischen dem 05.04.2007 und dem 09.04.2008 gegenüber dem Finanzamt abgege-ben. Die Strafverfolgungsverjährung war durch einen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Kiel vom 25.01.2012 im Hinblick auf sämtliche Taten unterbrochen worden. Die Anklage war am 28.10.2016 beim Landgericht eingegangen und das Hauptverfahren mit Beschluss vom 30.05.2018 eröffnet worden.

Entscheidung

In den vorstehend genannten Fällen wurde das Verfahren durch den BGH gemäß § 206 Abs. 1 StPO eingestellt, da Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Dabei müsse in den Fällen der Steuer-hinterziehung auf den Zeitpunkt der Abgabe der unrichtigen Steuererklärung abgestellt werden. In den Fällen des Vorenthaltens und Verkürzung von Arbeitsentgelt bzw. Beiträgen zur berufsge-nossenschaftlichen Unfallversicherung wäre ebenfalls Verfolgungsverjährung eingetreten. Die Verjährungsfrist beginne mit dem Verstreichenlassen des Fälligkeitszeitpunktes gemäß § 23 Abs. 1 SGB IV, ohne dass die entsprechenden Beiträge abgeführt worden sind. In diesem Zeitpunkt sei die Tat gemäß § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB zugleich vollendet und beendet. Die Rechtsgutsverletzung sei mit Nichtzahlung im Zeitpunkt der Fälligkeit irreversibel eingetreten und wird durch weiteres Untätigbleiben nicht mehr vertieft. Für den Beginn der Verjährungsfrist wäre daher nicht an das Erlöschen der Beitragspflicht anzuknüpfen.

Praxishinweis

Die Entscheidung des BGH stellt eine Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung dar. Der BGH stellte bisher für den Beginn der strafrechtlichen Verjährung bei § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB als unechte Unterlassungsdelikte auf den Wegfall der Pflicht zur Entrichtung der Bei-träge ab. Dies hatte zur Folge, dass bei vorsätzlich vorenthaltenen Beiträgen die Verjährungsfrist regelmäßig erst nach 30 Jahren zu laufen begann, vgl. § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV. Laut BGH laufe dieser Umstand dem Sinn und Zweck der Verfolgungsverjährung, Rechtsfrieden zu schaffen, zuwider. Die geänderte Rechtsauffassung des BGH ist zu begrüßen, da sie zu einem weitgehenden Gleichlauf der Verjährung von mit dem Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen einherge-henden Straftaten – insbesondere mit der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO – führt.

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