Dr. Hille Heinemann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
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April 2024
Ausgleichsanspruch des Tankstellenpächters
Wird ein Tankstellenpachtvertrag beendet, stellt sich stets die Frage, ob dem Tankstellenpächter gegenüber dem Verpächter – regelmäßig einem Mineralölunternehmen – ein Ausgleichsanspruch zusteht.
Bestehen des Ausgleichsanspruchs
Tankstellenpächter verkaufen im Regelfall Namens und auf Rechnung eines Mineralölunternehmens Kraftstoffe, Motoröle und Schmierstoffe. In einem solchen Fall handelt der Tankstellenpächter als Handelsvertreter des Mineralölunternehmens. Als Handelsvertreter steht dem Tankstellenpächter dann grundsätzlich bei Beendigung des Vertragsverhältnisses ein Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB zu.
Mit dem Ausgleichsanspruch sollen die Vorteile ausgeglichen werden, die das Mineralölunternehmen nach dem Vertragsende durch die aufgrund der Arbeit des Tankstellenpächters gewonnenen Stammkunden hat. Es sollen also zukünftige Provisionen, die der Tankstellenpächter verdient hätte, wenn der Vertrag nicht beendet worden wäre, ausgeglichen werden. Regelmäßig wird dabei ein Prognosezeitraum von vier Jahren angesetzt.
Höhe des Ausgleichsanspruchs
Der Ausgleichsanspruch muss der Höhe nach angemessen und gleichzeitig der Billigkeit entsprechen. Wann dies der Fall ist, hängt vom Einzelfall ab und kann daher nicht pauschal beantwortet werden. Als Faustregel gilt jedoch grundsätzlich, dass das Mineralölunternehmen mindestens denselben ausgleichpflichtigen Vorteil wie der Handelsvertreter einen Nachteil hat.
Im Weiteren wird der grundlegende Berechnungsweg dargestellt, bei welchem es aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu Abweichungen kommen kann.
Grundlage für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist die Gesamtsumme der Provisionen, die der Tankstellenpächter im letzten Jahr seiner Tätigkeit erzielt hat. Auf Grundlage dieser Jahresprovision wird eine Prognose der zukünftigen Provisionen berechnet, die dem Tankstellenpächter entgehen werden.
Die errechnete Jahresprovision ist regelmäßig um einen Verwaltungsanteil von 10% zu kürzen. Nach der Rechtsprechung ist eine solche Kürzung im Falle der Berechnung des Ausgleichsanspruchs eines Tankstellenpächters gerechtfertigt.
Nach Kürzung der Jahresprovision um den Verwaltungsanteil, ist der Provisionsanteil zu ermitteln, der durch Stammkunden erzielt wurde. Es muss daher die Höhe des Stammkundenanteils ermittelt werden. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass solche Kunden als Stammkunden zählen, welche mindestens viermal im Jahr an der Tankstelle tanken. Die Höhe des Stammkundenanteils kann dabei üblicherweise anhand des elektronischen Zahlungsverkehrs nachvollzogen werden. Über einen Abgleich der digitalen Kontendaten wird festgestellt, von welchem Konto mindestens viermal im Jahr ein Tankvorgang bezahlt wurde.
Da jedes Unternehmen nicht nur Stammkunden gewinnt, sondern immer auch Stammkunden verliert, muss die durchschnittliche Fluktuation der Stammkunden innerhalb des Prognosezeitraums in Abzug gebracht werden. Liegen keine konkreten Anhaltspunkte für eine bestimmte Abwanderungsquote vor, ist nach der Rechtsprechung von einem Erfahrungswert von 20 % jährlich auszugehen. Es muss also mit einem jährlichen Stammkundenverlust von 20% gerechnet werden.
Da mit dem Ausgleichsbetrag zukünftige Provisionen abgegolten werden, ist der Betrag zudem abzuzinsen.
Die Höchstgrenze des Ausgleichsanspruchs ist nach § 89b Absatz 2 HGB eine nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Tätigkeit des Tankstellenpächters berechnete Jahresprovision oder sonstige Jahresvergütung; bei kürzerer Dauer des Vertragsverhältnisses ist der Durchschnitt während der Dauer der Tätigkeit maßgebend.
Wegfall des Ausgleichsanspruchs
Der Ausgleichsanspruch erlischt, sollte der Tankstellenpächter seinen Anspruch nicht innerhalb eines Jahres nach Vertragende gegenüber dem Mineralölunternehmen geltend machen.
Ferner entfällt der Ausgleichsanspruch, sollte:
- der Tankstellenpächter selbst das Vertragsverhältnis gekündigt haben. Der Ausschluss gilt ausnahmsweise nicht, sollte das Verhalten des Mineralölunternehmens begründeten Anlass zur Kündigung gegeben haben oder dem Tankstellenpächter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit nicht zugemutet werden können. Die Rechtsprechung legt dabei strenge Maßstäbe bei der Frage an, ob ein solcher Ausnahmefall tatsächlich vorliegt.
- das Mineralölunternehmen das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Tankstellenpächters gekündigt haben.
- auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Mineralölunternehmen und dem Tankstellenpächter ein Dritter anstelle des Tankstellenpächters in das Vertragsverhältnis eintreten.
Fazit
Die Frage, ob ein Ausgleichsanspruch des Tankstellenpächters besteht, bedarf einer präzisen Prüfung sowohl des Vertragsverhältnisses zwischen dem Tankstellenpächter und dem Mineralölunternehmen selbst als auch der Umstände für dessen Beendigung. Für die Ermittlung der Höhe des Ausgleichsanspruchs ist eine zuverlässige Analyse des Geschäftsbetriebes des Tankstellenpächters erforderlich.
Unsere Rechtsanwälte für Vertriebsrecht bei Dr. Hille Heinemann Rechtsanwälte unterstützt Sie gerne bei allen Fragen rund um das Thema Ausgleichsansprüche.