Dr. Hille Heinemann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB

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Juni 2020

Arbeitsrechtliche Krisenbewältigung in der Covid-19-Pandemie

Die nachfolgende Kurzübersicht gibt Ihnen praxistaugliche Anhaltspunkte zur erfolgreichen arbeitsrechtlichen Bewältigung einer pandemiebedingten Ausnahmesituation innerhalb Ihres Betriebs.

I. Leistungsverweigerung eines Arbeitnehmers wegen notwendiger Kinderbetreuung

Sind Arbeitnehmer mit ihrer Familie von der pandemiebedingten Schließung einer Schule oder anderweitigen Betreuungseinrichtung betroffen, so stellen sich für den betroffenen Mitarbeiter zwei Fragen: Die Frage nach einem berechtigten Fernbleiben vom Arbeitsplatz und die Frage nach einer Kompensation des damit – grundsätzlich – verbundenen Wegfalls seines Lohnanspruchs. Derjenige Arbeitnehmer, der eine persönliche Betreuung seines minderjährigen Kindes sicherstellen muss, ist aufgrund eines persönlichen Leistungshindernisses nach § 275 Abs. 3 BGB berechtigt, die Arbeitsleistung zu verweigern. Voraussetzung ist freilich, dass ein tatsächlicher Betreuungsbedarf besteht, sprich, dass die Betreuung nicht durch Freunde oder Verwandte übernommen werden kann – was wegen der geltenden Kontaktbeschränkungen der Fall sein dürfte – und dass die Betreuung des Kindes altersmäßig erforderlich ist. Hierbei kann als generelle Orientierung eine Altersgrenze von 12 Jahren zugrunde gelegt werden. Ältere Kinder können im Falle einer Behinderung betreuungsbedürftig sein.

Macht der insoweit leistungsverweigerungsberechtigte Arbeitnehmer von seinem Recht aus § 275 Abs. 3 BGB Gebrauch, um sich der Betreuung seiner Kinder zu widmen, so entfällt im Ausgangspunkt sein arbeitsvertraglicher Vergütungsanspruch. Es gilt der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“.

Im Einzelfall ist jedoch zu prüfen, ob der Vergütungsanspruch durch tarifliche oder gesetzliche Spezialregelungen aufrecht erhalten bleibt. Eine gesetzliche Aufrechterhaltung des Lohnanspruchs bei absehbar lediglich kurzfristiger Verhinderung an der Arbeitsleistung infolge notwendiger Kinderbetreuung kommt nach § 616 S. 1 BGB in Betracht. § 616 S. 1 BGB gilt jedoch ausdrücklich nur für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“. Dies umfasst üblicherweise einen Zeitraum von ca. 5 Arbeitstagen. In einem langjährig bestehenden Arbeitsverhältnis kann in besonders gelagerten Ausnahmefällen auch für einen längeren Zeitraum von bis zu maximal 6 Wochen von einer Kompensation des Vergütungsanspruchs nach § 616 S. 1 BGB ausgegangen werden.

Grundsätzlich gilt: Ist bereits absehbar, dass der betroffene Mitarbeiter wegen der Betreuung seines Kindes von Vornherein für eine verhältnismäßig längere Zeitspanne als fünf Arbeitstage an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert ist, so findet § 616 S. 1 BGB keine Anwendung. Der Arbeitnehmer ist in diesem Fall auf einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1a IfSG verwiesen. Dieser Entschädigungsanspruch wurde eigens neu von dem Gesetzgeber für berufstätige Sorgeberechtigte geschaffen, die aufgrund der infektionsbedingten behördlichen Schließung einer Schule oder sonst. Betreuungseinrichtung selbst die Betreuung ihres minderjährigen Kindes bis zu 12 Jahren oder ihres Kindes mit einer Behinderung übernehmen müssen. Die Höhe der Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber ist für die Dauer von bis zu sechs Wochen zur Vorleistung der Entschädigung verpflichtet und hat seinerseits einen Erstattungsanspruch gegenüber der zuständigen Behörde. Achtung: Eltern, die sich in Kurzarbeit befinden oder die ihre Arbeitsleistung vorübergehend im Homeoffice erbringen, sollen von der Entschädigungsleistung ausgeschlossen sein.

II. Leistungsverweigerungsrecht bei häuslicher Quarantäne

Die Arbeitspflicht eines infizierten Arbeitnehmers entfällt kraft behördlicher Anordnung einer häuslichen Quarantäne oder der Auferlegung eines Tätigkeits-/Berufsverbots i.S.d. §§ 30 Abs.1 S. 2, 31 IfSG. Der Wegfall des Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers wird kompensiert durch einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG.

III. Erkrankung des Arbeitnehmers an der pandemischen Infektion

Führt die Infizierung des Arbeitnehmers mit der pandemischen Infektion zu einer Erkrankung, so hat der krankheitsbedingt arbeitsunfähige Mitarbeiter einen Entgeltfortzahlungsanspruch für die Dauer von bis zu 6 Wochen nach 3 3 Abs. 1 S. 1 EFZG. Für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit ist selbstverständlich auch die Leistungspflicht des Arbeitnehmers suspendiert.

IV. Leistungsverweigerung bei Furcht vor einer Infektion?

Kein Leistungsverweigerungsrecht hat derjenige Arbeitnehmer, der lediglich aus Furcht vor einer Ansteckung das Aufsuchen des Arbeitsplatzes verweigert. Er riskiert arbeitsrechtliche Konsequenzen, angefangen bei der Abmahnung bis hin zur Kündigung. Für die Dauer der unberechtigten Arbeitsverweigerung verliert er seinen – anteiligen – Vergütungsanspruch.

V. Konsequenzen der pandemiebedingten Betriebsschließung

Die behördlicherseits pandemiebedingt angeordnete Schließung des Betriebs darf zu Recht als ein unternehmerisches „worst case“-Szenario angesehen werden. Denn in der behördlich verfügten Betriebsschließung realisiert sich das sog. Betriebsrisiko des Arbeitgebers und die Mitarbeiter behalten zur Gänze ihre Vergütungsansprüche nach den Grundsätzen des Annahmeverzugslohns gemäß §§ 293 ff., 615 S. 1 BGB. Dem von einer behördlichen Betriebsschließung betroffenen Arbeitgeber ist daher dringend zu raten, Homeoffice-Lösungen im Einvernehmen mit den Mitarbeitern zu arrangieren oder aber durch Kurzarbeit das Arbeitsvolumen der Arbeitnehmer zu reduzieren.

Unsere Kanzlei berät Sie als betroffener Arbeitgeber oder Arbeitnehmer bei allen individuellen arbeitsrechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Bewältigung der Covid-19-Pandemie.

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